Verdichtungsmaßnahmen und Integration:
Eine explorative Analyse Berliner Gemeinschaftsunterkünfte

Autor*innen: Byron Jarsiyah (Humboldt Universität zu Berlin); Teresa Becher (Freie Universität Berlin)

Berlin, Juli 2023

Zusammenfassung: Das explorative Forschungsprojekt untersucht die Auswirkungen von Verdichtungsmaßnahmen in Berliner Gemeinschaftsunterkünften auf die Integration von Geflüchteten. Durch ein qualitatives Interview mit einem Sozialarbeiter werden sowohl die unmittelbaren Auswirkungen der Verdichtungsmaßnahmen als auch komplexe systemische Integrationshürden beleuchtet. Anstelle einer abschließenden Antwort auf die Forschungsfrage generiert die Untersuchung vielmehr eine Reihe neuer Fragestellungen und betont die Wichtigkeit weiterführender Forschungsarbeiten. In diesem Kontext hebt die Studie zusätzliche Herausforderungen hervor, denen sich Geflüchtete und Sozialarbeitende gegenübersehen. Dieser Ansatz ermöglicht eine tiefgehende Auseinandersetzung mit verschiedenen Analyseebenen und regt zu weiteren Fragestellungen sowie einer kritischen Reflexion der gängigen Integrationspraktiken und -konzepte an.

1. Einleitung

Im Jahr 2022 registrierte Deutschland etwa 1,2 Millionen Schutzsuchende, wobei der größte Anteil aus der Ukraine stammte. Ein erheblicher Teil dieser Menschen wurde dem Bundesland Berlin zugeteilt, was zu einer Rekordzahl von 95.000 registrierten Geflüchteten und Asylbewerber*innen führte (LAF, 2023). Um auf die damit einhergehende Herausforderung der Verteilung zu reagieren, erhöhte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die verfügbaren Unterbringungsplätze. Am 24. Januar 2023 gab das LAF bekannt, über 637 Unterbringungsplätze in Berlin zu verfügen, von denen 101 in Gemeinschaftsunterkünften und 536 in Aufnahmeeinrichtungen lokalisiert waren. Zur Entlastung der Belegung der Ankunftszentren wurden 600 zusätzliche Plätze geschaffen (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales/Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, 2023, S. 3). Um diese Plätze zu schaffen, wurden in einigen Gemeinschaftsunterkünften Gemeinschafts- und Angebotsräume in Wohnbereiche umgewandelt und in einigen bestehenden Zimmern Einzelbetten durch Doppelstockbetten ersetzt (Interview, 2023). Diese Maßnahmen werden unter dem Begriff „Verdichtungsmaßnahmen“ zusammengefasst.

 

2. Kontext & Definitionen

Die Verdichtungsmaßnahmen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Lebensrealität von Geflüchteten. So kann der Platzmangel und der damit einhergehende Verlust von privaten Räumen unter anderem zu einer erhöhten psychischen Belastung und somit zu einem erhöhten Konfliktpotenzial führen. Untersuchungen haben gezeigt, dass schlechtere Unterbringungsbedingungen bei Geflüchteten mit einer schlechteren psychischen Gesundheit korrelieren (Schönfeld, Sauzet und Razum, 2022). Dies kann u. a auch negative Auswirkungen auf die Integrationsfähigkeit haben (Faustmann, 2017). Auch das LAF weist in seinem halbjährlichen Bericht zur Geflüchtetenunterbringung für das 2. Halbjahr 2022 darauf hin, „dass die Verdichtung der Plätze in den LAF-Unterkünften das Zusammenleben der Geflüchteten erschwert, sodass mit mehr Konflikten in den Unterkünften gerechnet werden muss, die von den Betreibenden entsprechend personell aufgefangen werden müssen“ (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales/Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, 2023). Wie erfolgreich diese Mehrbelastung bewältigt werden konnte, wird im Verlauf deutlich. Um die psychosoziale Komponente zu erweitern, soll sich die vorliegende Arbeit mit dem Zugang zu integrativen Prozessen auseinandersetzen. Dem Integrationsverständnis der Arbeit liegt die Definition des Historikers Klaus J. Bade zugrunde. Nach dieser Auffassung beinhaltet Integration die Beteiligung aller an zentralen gesellschaftlichen Aspekten wie Bildung, Arbeitsmarkt, Recht und politische Teilhabe (Bade, 2013).

3. Forschungsfrage & Methodik

In den Gemeinschaftsunterkünften nimmt die Sozialarbeit eine Schlüsselposition im vermittelnden Zugang zu integrativen Prozessen ein. Sozialarbeitende sind dafür verantwortlich, die Bewohner*innen in verschiedenen Sektoren, einschließlich der Antragstellung für staatliche Unterstützungsleistungen, zu unterstützen. Deshalb konzentriert sich diese Arbeit auf die Sozialarbeitenden als Vermittler*innen zu integrativen Leistungen für Geflüchtete, die direkt von den Folgen der Verdichtungsmaßnahmen betroffen sind. Um dies zu untersuchen, verfolgen wir die Forschungsfrage: „Welche Auswirkungen hatten die 2022 eingeführten Verdichtungsmaßnahmen in den Gemeinschaftsunterkünften in Berlin auf integrative Prozesse?“ Zur Untersuchung der Auswirkungen der Verdichtungsmaßnahmen auf die integrativen Prozesse führten wir eine explorative Interviewstudie mit einem Sozialarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft (GU1) durch.

4. Komplexe Herausforderungen

4.1 Arbeitsbelastung- und umfeld

Die Untersuchung offenbarte eine vielschichtige und komplexe Realität. Die geschilderten Herausforderungen konzentrierten sich vornehmlich auf zwei Bereiche: die Belastung der Geflüchteten und die der Sozialarbeitenden. Diese sollen im Folgenden geschildert und analysiert werden. Der befragte Sozialarbeiter fokussierte sich in erster Linie auf den zweiten Bereich. Er berichtete, dass die Arbeitsbelastung in der Unterkunft bereits so intensiv war, dass die zusätzlichen Bewohner*innen kaum eine zusätzliche Belastung darstellten. Er betonte, dass seine Arbeitsbelastung durch die Verdichtungsmaßnahmen nicht spürbar zugenommen hätte, da die Arbeitsbedingungen bereits zuvor prekär waren: „Meine Arbeit hat sich nicht weiter verdichtet“, sagte er, „weil sie bereits verdichtet war“ (Interview, 2023). Dabei wies er auch auf eine massive und strukturelle Unterbesetzung hin: Über die Hälfte der Arbeitsplätze sei nicht besetzt. Im Verlauf des Gesprächs schilderte er diverse negative Auswirkungen, die seiner Ansicht nach auf die getroffenen Maßnahmen zurückzuführen sind. Dieser leichte Widerspruch zwischen hoher Belastung und fehlender Mehrbelastung in der Darstellung der Verdichtungsmaßnahmen könnte darauf zurückzuführen sein, dass er die Verdichtungsmaßnahmen grundsätzlich als notwendig erachtet und bereits zuvor unzureichende Ressourcen vorhanden waren.

Nach Aussage des Befragten hatten die Verdichtungsmaßnahmen nichtsdestotrotz keine Auswirkungen auf seine eigene Arbeit. Er nahm die Veränderungen durch die Verdichtungsmaßnahmen vor allem atmosphärisch wahr und bezog sie weniger auf seine individuelle Arbeit. Er beschreibt, dass die Beziehung zwischen den Sozialarbeitenden und den Bewohnern an Intensität verlor (Interview, 2023). Normalerweise kenne man sich; die Bewohner*innen kämen regelmäßig und wüssten, wo er zu finden sei. Mit dem Anstieg der Bewohnerschaft ging jedoch eine verstärkte Anonymität einher, wodurch der soziale Zusammenhalt in der Gemeinschaft beeinträchtigt wurde. Weiterhin kritisierte er die Wohnbedingungen der neuen Bewohner*innen. Er beschrieb eine mangelnde Qualität des Wohnraums und das Leben auf zu engem Raum, was zu einer erhöhten Aggression unter den Bewohnern führte (ebd.). Diese Situation spiegelt die Befunde von Schönfeld, Sauzet und Razum (2022) wider, in denen hervorgehoben wird, dass schlechtere Unterbringungsbedingungen bei Geflüchteten mit einer verschlechterten psychischen Gesundheit in Zusammenhang stehen.

Auch wenn die Verdichtungsmaßnahmen keinen direkt spürbaren Einfluss auf die Arbeit des Interviewten hatten, spürte er die zusätzliche Belastung bei seinen Kolleg*innen deutlich. Er berichtete von Kolleg*innen, bei denen sich „ganz lange Schlangen gebildet“ hätten (Interview, 2023). Insbesondere Personen mit Fremdsprachenkompetenzen erlebten eine erhöhte Belastung: „Die neuen 50 Leute müssen erstmal abgearbeitet werden, und das hat bei anderen zu einer sehr großen Verdichtung geführt“ (Interview, 2023). An dieser Stelle kann hinsichtlich der Forschungsfrage interpretiert werden, dass aufgrund der Verdichtungsmaßnahmen weniger Raum und Ressourcen bereitstehen, um Unterstützung zu ermöglichen und dadurch der Zugang zu integrativen Leistungen beeinträchtigt wurde. Es ist anzumerken, dass der Befragte durch indirekte Erfahrung auf die Mehrbelastung durch diese Maßnahmen hingewiesen hat und eine detaillierte Befragung von Bewohner*innen und Sozialarbeitenden notwendig wäre, um die Annahme spezifisch zu bestätigen.

Auch auf das allgemeine Arbeitsumfeld nahm er negative Auswirkungen wahr: „Natürlich hat sich unsere Arbeitsbelastung verdichtet, die sowieso schon bei einer Unterbesetzung von 40 % oder so lag [...]. Wenn man die zusätzlichen 10 % Mehrarbeit draufrechnet, kommt man irgendwie auf 30 % Personalbesetzung oder so, und wenn dann noch jemand kündigt, dann sind wir im Grunde genommen an einer Stelle, an der wir eigentlich gar nicht mehr arbeitsfähig sind, und das war ein Dauerzustand“ (Interview, 2023). Obwohl er eine erhöhte Arbeitsbelastung wahrnimmt, führt die Ankunft der neuen Bewohner*innen nicht zu einer spürbaren zusätzlichen Belastung. In einem Zustand chronischer Überlastung liegt sein Fokus vorrangig auf der Erfüllung der Grundbedürfnisse, was nicht immer gelingt (ebd.). Die Bezugnahme auf eine Dauerüberlastung legt nahe, dass das Verständnis von Integration im Kontext von Gemeinschaftsunterkünften die grundlegenden Strukturen analysieren müsste. Dabei wären Fragen relevant wie: Wie ist der Personalschlüssel bestimmt, wer bestimmt diesen und auf welcher Grundlage wird dieser berechnet? Außerdem wäre zu untersuchen, welche Maßnahmen auf weiteren Ebenen bestehen, um die Qualität von integrativer Arbeit zu sichern: Wie ist der integrative Zugang im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten repräsentiert und bestehen Maßnahmen, diesen zu kontrollieren? Inwieweit nimmt die Senatsverwaltung und die Bundesregierung Einfluss auf den Zugang? Weiter besteht die Frage, warum diese Unterkunft von den Verdichtungsmaßnahmen trotz personeller Unterbesetzung betroffen war.

4.2 Systemische und institutionelle Herausforderungen

Anstatt die Effekte von Verdichtungsmaßnahmen im Integrationskontext zu betonen, legt der Befragte Wert darauf, den grundlegenden Zugang zu integrativen Leistungen des Staates in den Vordergrund zu rücken. Dazu unterstreicht er, dass die Integrationsherausforderungen weit über bloße Verdichtungsmaßnahmen hinausreichen: „Eine der größten Herausforderungen für Geflüchtete ist die Prekarität der Bedingungen, unter denen sie sich integrieren wollen oder können“ (Interview, 2023). Die Komplexität dieser Situation wird umso deutlicher, wenn man die zahlreichen Herausforderungen berücksichtigt, mit denen sich die Geflüchteten konfrontiert sehen. Sie leben auf engem Raum, oftmals segregiert vom Rest der Gesellschaft, was die integrative Teilhabe erschwert (Ludwig, 2018). Im Ankunftsland müssen sie häufig Bildungszertifikate, angefangen mit Sprachkursen, erlangen, weil die Nachweise und Zeugnisse aus dem Herkunftsland oftmals nicht anerkannt werden (Donlevy et al., 2016). Dazu kommen traumatische Erfahrungen, die viele Geflüchtete in ihrer Heimat oder auf der Flucht gemacht haben, sowie eine oftmals unsichere Bleibeperspektive (Faustmann, 2017). All diese Faktoren tragen zu einer psychischen Belastung bei, die die Integration im Ankunftsland erschwert. So kritisiert der Befragte, dass die systemischen Wege zur Integration die Realität von Geflüchteten oft nicht widerspiegeln: „In Debatten sprechen wir von einer Form von Integration, aber die systemischen Wege ermöglichen das überhaupt nicht“ (Interview, 2023). Beispielhaft berichtet er von einer beeinträchtigten, pflegebedürftigen Person aus der Ukraine, die trotz der theoretisch ausreichenden Sozialgesetzgebung in Deutschland ein halbes Jahr auf Pflegeleistungen warten musste, die vor einem Sozialgericht eingeklagt werden mussten. Auch andere Fälle, wie eine sehbeeinträchtigte Person aus Nigeria oder eine siebenköpfige syrische Familie, nennt er beispielhaft, um aufzuzeigen, dass der systemische Zugang zu Leistungen dieser Zielgruppe nicht gerecht wird. Des Weiteren kommen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Ämtern hinzu, wie wechselhafte Zuständigkeiten oder Zurückweisungen von Verantwortlichkeiten (ebd.). Anhand der Beispiele wird ersichtlich, dass Geflüchteten mit Beeinträchtigungen im Integrationsprozess zusätzliche Erschwernisse begegnen.

 

5. Eine intersektionale Perspektive

Als erklärender Faktor für die systemischen Herausforderungen kann das Konzept der Intersektionalität herangezogen werden. Bestehende Forschungen zu direkter individueller Diskriminierung in Leistungsbehörden gegenüber migrierten Osteuropäern legen nahe, dass diese Ebene der Diskriminierung erweitert werden muss (Behrendt et al., 2020, S. 116). Neben der individuellen, strukturellen und historischen Diskriminierung wird auch die institutionelle Diskriminierung im Konzept der Intersektionalität berücksichtigt (Roig, 2019). Institutionelle Diskriminierung wird als dauerhafte und systematische Benachteiligung von Angehörigen sozialer Gruppen definiert, die auf überindividuelle Sachverhalte wie Normen, Regeln und Routinen sowie auf kollektiv verfügbare Begründungen zurückgeführt werden können. Es handelt sich dabei nicht um Diskriminierungsabsichten der Beteiligten, sondern um Ungleichbehandlungen, die durch Institutionen hervorgebracht werden (Hasse & Schmidt, 2012). Demnach können unter anderem fehlende Sprachkenntnisse oder mangelndes Wissen über Handlungsmöglichkeiten als übergeordnete Ungleichbehandlung verstanden werden, die den Zugang zu institutionalisierten Leistungen verhindern. So wird die individuelle Ebene durch die institutionelle erweitert. Daraus ergeben sich bedeutsame Fragen: Welchen spezifischen Herausforderungen begegnen geflüchtete Personengruppen im Sozialsystem im Vergleich zu anderen Personengruppen? Welchen Formen institutioneller Diskriminierung sind diese Personen ausgesetzt? Welchen Einfluss haben etablierte Normen und Routinen bei der Leistungsgewährung? Wie können wir die strukturellen Barrieren identifizieren und ansprechen, um gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einen gerechten Zugang zu Leistungen für jede*n zu ermöglichen? Eine tiefgreifende Beschäftigung mit der Intersektionalität könnte nicht nur wertvolle Einblicke gewähren, sondern auch konkrete Ansätze für zukünftige Interventionsstrategien bieten.

Das Konzept der Intersektionalität bietet bezogen auf die vorliegende Arbeit eine erweiterte Perspektive. Wie im letzten Absatz angesprochen, ist die Situation von bestimmten Gruppen von Geflüchteten besonders prekär. Im Gespräch werden von dem Befragten als Beispiel Personen mit Beeinträchtigungen, große Familien, Personen mit Suchterkrankungen oder Personen aus geringer sozio-ökonomischer Herkunft genannt (Interview, 2023). Sie sind von intersektionaler Diskriminierung betroffen, da sie als Geflüchtete und in einer oder mehreren weiteren Dimensionen mehrfach marginalisiert sind. Dabei handelt es sich oftmals um die Personen, die am meisten auf Unterstützung der Sozialarbeit angewiesen sind. Somit sind es auch die Fälle, die potenziell am meisten darunter leiden, wenn durch die Verdichtungsmaßnahmen die Kapazitäten der Sozialarbeitenden sinken. Um eine adäquate Hilfestellung in diesem komplexen Kontext gewährleisten zu können, müssen mehrere Fragen beantwortet werden. Offen ist, welche Maßnahmen implementiert werden können, um besonders schutzbedürftigen Personengruppen trotz Verdichtungsmaßnahmen eine qualifizierte Beratung zu gewährleisten. Es muss ein Weg gefunden werden, Sozialarbeitende effektiv zu entlasten, damit sie sich auf die Beratung von besonders vulnerablen Gruppen konzentrieren können. Außerdem wäre spannend zu erforschen, welche Rolle Community-Organisationen und ehrenamtliche Initiativen in der Unterstützung von besonders schutzbedürftigen Personengruppen spielen könnten.

Trotz der komplexen systemischen Herausforderungen bietet die praktische Einschätzung des Sozialarbeiters eine nuancierte Sicht auf die Notwendigkeit von Verdichtungsmaßnahmen. Die Verdichtungen findet er besser als andere Unterbringungsformen, wie sie in der Vergangenheit vorgenommen wurden, beispielsweise in Turnhallen oder Zelten (Interview, 2023). Dabei wird deutlich, dass das Land Berlin in seinen administrativen Kapazitäten und Verfahren seit 2016 merkliche Veränderungen vorgenommen hat (Gathmann, 2017). Dennoch darf nicht vernachlässigt werden, dass die grundlegenden Strukturen, die spezifischen Auswirkungen von Änderungen und die Rolle der Integration als essenzielle gesellschaftliche Verantwortung in einem umfassenden Rahmen betrachtet und bewertet werden müssen.

6. Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend zeigt das explorative Interview, dass aus der gegebenen Perspektive die Verdichtungsmaßnahmen in den Gemeinschaftsunterkünften nicht die primäre Ursache für integrative Herausforderungen darstellen. Obwohl der Sozialarbeiter indirekte Erfahrungsberichte über einen gestiegenen Bedarf sowie über erhöhtes Konfliktpotenzial und atmosphärische Veränderungen durch die Maßnahmen bestätigt, betont er, dass die Hauptbarrieren für die Integration in bereits bestehenden prekären Lebensbedingungen liegen. Weiterhin wird deutlich, dass die systemischen und institutionellen Strukturen eine Barriere für integrative Zugänge darstellen. Die institutionelle Diskriminierung und die Mängel in der Organisationsstruktur der Sozialarbeit, gepaart mit der anhaltenden Überlastung der Sozialarbeitenden, bilden eine größere Hürde für die Integration als die Verdichtungsmaßnahmen selbst. Dies trifft besonders auf mehrfach marginalisierte Personen zu. Es wird deutlich, dass eine tiefgreifende und multidimensionale Analyse der integrativen Prozesse erforderlich ist, um effektive Lösungen für die Herausforderungen in den Gemeinschaftsunterkünften zu finden. Wichtige Faktoren dabei sind ausreichendes Personal sowie der Zugang zu integrativen Leistungen des Staates. Abschließend ist anzumerken, dass es sich bei der vorliegenden Untersuchung nicht um eine repräsentative Studie handelt und demnach weitere Forschung unter Berücksichtigung geographischer, soziodemographischer und organisatorischer Merkmale sowie Unterschiede in der Soziallandschaft erfolgen müssen. Weiterhin sollte zukünftige Forschung die Perspektive von Geflüchteten mehr in der Fokus rücken.

Der Beitrag endet mit dem Appell des Sozialarbeiters, realistisch zu sein und den Begriff der Integration zu hinterfragen: "Wir müssen realistisch sein und uns fragen: Was bedeutet für uns eigentlich Integration, wenn sie erstmal überleben müssen? Es ist diese Beschreibung, diese Geschichte überhaupt, der Begriff Integration selbst, der wird nicht in Frage gestellt. Aber das klingt so wunderschön, es klingt so, als ob die Gesellschaft transparent ist, wir sind eine soziale Marktwirtschaft, ein Rechtsstaat, und jeder, der sich bemüht, wird auch integriert. Aber das ist eine Lüge." (Interview, 2023).

Quellenverzeichnis
Bade, Klaus J. (2013): Integration muss weg vom Innenministerium. Klaus J. Bade im Interview mit Andrea Dernbach. Tagesspiegel. Online abrufbar unter: www.tagesspiegel.de/ politik/vor-der-regierungsbildung-integration-muss-wegvom-innenministerium/8894400.html

Behrendt, M., Dubois, M., Fabiańczyk, E., Komitowski, D., Kraußlach, M., Lefebvre, A., Pfeffer-Hoffmann, C., & Skwarek, A. (2020). EU-Zugewanderte bei Jobcentern und Arbeitsagenturen. In C. Pfeffer-Hoffmann (Hrsg.). https://minor-kontor.de/wp-content/uploads/2020/04/Minor_GAB_EU-Zugewanderte-bei-Jobcentern-und-Arbeitsagenturen_2020.pdf

Faustmann, A. (2018). Psychische Gesundheit im Kontext von Migration und Flucht – eine integrationswissenschaftliche Perspektive. Resonanzen, 5(2), 56-72.

Gathmann, F. (2017). Lageso in Berlin: Was aus dem Behörden-Chaos geworden ist. Der Spiegel. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/lageso-in-berlin-was-aus-dem-behoerden-chaos-geworden-ist-a-1157328.html

Hasse, R., & Schmidt, L. (2012). Institutioneller Rassismus. In H. M. Nickel & A. Röder (Hrsg.), Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland (S. 95-110). Springer VS.

Roig, I. (2019). Die vier Dimensionen von Diskriminierung. G. Kilomba, S. Arndt, N. Ofuatey-Alazard, & M. K. Asante (Hrsg.), Intersektionalität in Deutschland: Theoretische Ansätze und empirische Befunde. Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut). https://www.dezim-institut.de/wp-content/uploads/2019/09/2019.09.18._CIJ-DeZIM_Bericht-Intersektionalitaet-Deutschland_ykgll2.pdf

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Donlevy, V., Curtarelli, M., McCoshan, A., & Meierkord, A. (2016). Studie über die Probleme bei der Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen: Zusammenfassung. https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=16628&langId=de

Ludwig, J. (2018). Verhindert Segregation in Flüchtlingsheimen die Integration? https://www.buecher.de/shop/empirische-forschung/verhindert-segregation-in-fluechtlingsheimen-die-integration-chancen-der-binnenintegration-in-gefluechtetenunterkuenften-ebook-pdf/ludwig-joy/products_products/detail/prod_id/55489478/

Schönfeld, S., Sauzet, O., & Razum, O. (2022). Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der Unterkunft und der psychischen Gesundheit Geflüchteter in Deutschland? Gesundheitswesen, 84(07), 617-624. https://doi.org/10.1055/a-1802-4530

Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales; Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. (2023). Halbjährlicher Bericht zur Geflüchtetenunterbringung 2. Halbjahr 2022. https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/Haupt/vorgang/h19-0091.C-v.pdf